Menschen im Hörsaal

Kirche ohne Gott

Es ist Sonntagmorgen. So wie jetzt. Etwa 20 bis 30 Menschen versammeln sich vor Ort; dazu kommen noch viele Online Teilnehmer aus aller Welt. Es gibt Lesungen, eine Diskussion und ein Forum, in dem Freude und Sorgen geteilt werden. Klingt nach einem Gottesdienst in einer normalen Kirche. Es gibt aber einen Unterschied Pastorinnen oder Priester gibt es nicht; jede und jeder kann als Redner auftreten. Und auch die Themen, die verhandelt werden, unterscheiden sich: Es gibt Lektionen der Stoiker über Atheismus, Humanismus: Allgemeine Fragen der Moral haben ihren Platz neben Themen von psychischer Gesundheit und Tipps für ein gutes Leben.

Trotzdem verstehen sich die Teilnehmer als Mitglieder einer „Kirche“. Einer Kirche ohne Gott. Was beim ersten Hören wie aus einem Science Fiktion einer postkonfessionellen Gesellschaft klingt, ist in den USA schon heute Realität. Dort gibt es eine wachsende Zahl sogenannter atheistischer Kirchen, die unterschiedlich strukturiert sind. Allen gemein ist die Ablehnung von allem Übernatürlichen und folglich auch die Ablehnung Gottes. Trotzdem verstehen sie sich als „Kirche“ und nicht nur als irgendein Club. Den Mitgliedern ist die Bezeichnung „Kirche“ deswegen wichtig, weil jeder weiß, was eine Kirche ist und alle sich etwas darunter vorstellen können.

„Wir geben den Menschen die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln und Gemeinschaft zu erleben. Eben alles, was zu einer Kirche gehört, nur ohne Gott. Wenn wir uns anders nennen würden, würde das unserm Tun nicht gerecht“, sagt ein Vorstandsmitglied in einem Interview .

Das ist eine interessante Begründung, denke ich als jemand, der Sonntag für Sonntag einen christlichen Gottesdienst feiert. Und statt einer Diskussion über Original und Kopie zu führen, denke ich, dass Kirchen offenbar nicht ganz so schlecht sind, wie oft behauptet wird.

Klar: Eine Kirche ohne Gott wäre nichts für mich. Das Wesentliche fehlt dann eben. Wenn in der christlichen Kirche nämlich von Gott geredet wird, reden wir nicht über einen Gott, den es „irgendwie“ und „an und für sich“ gibt, sondern von einem Gott, der sich erfahrbar macht. Gar nicht „übersinnlich“ übrigens, sondern höchst sinnlich in Brot und Wein z.B. beim Abendmahl.

In den USA, ist heute übrigens der „Schau in den Himmel Tag“. Wenn es nach Jesus geht, müsste man dazu übrigens nicht nach oben schauen, sondern in eine Kirche gehen, denn er hat gesagt: „Der Himmel ist mitten unter euch.“ (Lk17,21).

 

Dieser Beitrag wurde am 14.4. bei Kirche im WDR gesendet

Bild: Unsplash

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