Gute und schlechte Tage

Mit Wachstum kennen wir uns langsam aus. Kannten wir uns eigentlich schon immer. Denn dass Wachstum zu Wohlstand führt, auch wenn es nicht exponentiell ist, gilt fast schon als eine Binsenweisheit.

Doch kriegt diese Binsenweisheit zur Zeit einige Löcher. Die Grenzen dieses „immer , immer , immer “ scheinen erreicht. Und die Einsicht, dass ein Umdenken einsetzten muss, scheint näher als je zuvor.

Wie tief der Gedanke ständigen Wachsens in uns verankert ist, zeigt sich wenn er auf Bereiche angewendet wird bei denen nicht als erstes an Wachstum denken: Die Liebe zum Beispiel. Sie entsteht ja meistens sehr zaghaft: Ein kurzer Blick, ein sanftes Lächeln, das das Herz berührt. Aber vielleicht habe ich einfach auch nur zu viel BACHELOR oder PRINCESS CHARMING geschaut. Selbst wenn diese inszenierten Beziehungen dann wieder auseinander gehen, wird man oder frau kaum die Schlagzeile lesen: „Wir glauben nicht mehr, dass wir als Paar in dieser nächsten Lebensphase gemeinsam wachsen können“.

Wenn man zu den reichsten Ehepaaren der Welt gehört, sieht das offenbar anders aus. Denn Melinda und Bill Gates haben das vor einiger Zeit über die Presse als Erklärung verlauten lassen. Ich habe mich dabei ertappt wie ich die beiden vor mir sah: Beide an ihren Computern die Excel Datei geöffnet und dabei eine Kosten-Nutzen Rechnung die Rechen-Bilanz eröffnet. Das ist natürlich unfair. Denn wenn man in der Öffentlichkeit steht, verlangt diese nach einem Statement und da fand die PR-Abteilung diesen Satz offenbar passend. Und vielleicht passt der Satz ja sogar auf die Beziehung der beiden.

In der Bibel erzählt Jesus ein mal eine kurze Geschichte des Wachstums. Er sagt: Wenn Gott mit im Spiel ist, „ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht…“ (Mk 4,26)

Du hast nicht alles selbst in der Hand. Du kannst nicht alles erzwingen. Du kannst erst recht nicht alles kaufen. Du bleibst angewiesen, dass gutes Gelingen, dass Wachstum und Gedeihen geschenkt werden. „Segen“ nennt das die Bibel. Befreiung vom Zwang zum Wachstum. Mut klüger zu werden und Scheitern nicht als Makel zu sehen.

„Wir hatten gute und wir hatten schlechte Tage. Von den schlechten hatte wir zuletzt zu viele. Und nun ist uns auch noch die Liebe abhanden gekommen. Das ist schade, aber wir sind dankbar für alles, was wir miteinander teilen durften.“

Dass Liebe sich nicht von selbst versteht, ist eigentlich auch eine Binsenweisheit; eine der man und frau sogar mehr Wachstum wünscht.

Dieser Beitrag wurde am 16.6.2021 bei Kirche im WDR gesendet.

Foto: https://unsplash.com/photos/Kab_-4M4I74

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