Amosbuch 5. Kapitel die Verse 21-24:
„Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“
I.) Hatte Amos hatte unser Gesundheitssystem im Sinn, als er diese Worte sprach?
Amos- und die unser Gesundheitssystem?
Das klingt doch wirklich wie an den Haaren herbeigezogen!
Doch klingen seine Worte für mich zunächst so, als wolle er sich in die Diskussion um unser Gesundheitswesen und die Streichung von Feiertagen einschalten:
„Ich hasse eure Feiertage; ich verwerfe eure Feste“
Weg also mit Pfingstmontag; wozu einen zweiten Weihnachtfeiertag? Der Buss- und Bettag ist je bereits nicht mehr arbeitsfrei.
Immer wenn es um die Streichung von Feiertagen zugunsten unseres Gesundheitssystems geht, werden diese nur unter dem Kostenfaktor gesehen. Wenn die Menschen mehr arbeiten, arbeiten sie folglich auch mehr für die Allgemeinheit, was sich dann wiederum als soziale Errungenschaft feiern lässt.
Aber wird in dieser Diskussion nicht der kulturelle Wert der Feiertage vergessen; (kirchlich besteht der Buss-und Bettag ja weiterhin als Feiertag, aber wie schwer es ist einen Feiertag als einen solchen auch zu halten, wenn alles seinen gewohnten Gang geht, das merken wir in der Kirche doch schon)
Es ist zu fragen, ob bei der Diskussion um die Feiertage nicht einiges verschleiert wird
II.) Auch z.Zt. des Amos wurde vieles verschleiert.
Es ist eine verhältnismäßig lange Friedenszeit gewesen, damals 760 v. Chr.: außenpolitische Ruhe, wirtschaftlicher Wohlstand.
In dieser Zeit erfahren auch Kultur und Gottesdienst einen merklichen Aufschwung.
Die Rückseite dieser Entwicklung ist, dass die Reichen und Einflußreichen immer reicher und einflußreicher,die Armen und Ohnmächtigen immer ärmer und macht und hilfloser werden.
In diese Situation hinein hat Amos eine unerhört neue Botschaft in Israel zu sagen.
Eine Botschaft, die alles das, was Israel bis dahin gesagt wurde infragestellt, -Ja schlimmer noch: geradezu negiert.
Israel kann sich nicht mehr auf seine Erwählung in den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob berufen; der Auszug aus Ägypten und der Einzug in gelobte Land also alles Handeln Gottes an seinem Volk wird radikal erschüttert, angesichts dessen, was Amos zu verkündigen hat. Er muss sagen: „Das Ende ist gekommen für mein Volk Israel.“
Gott sagt durch seinen Propheten: Es ist zu Ende; endgültig Schluss.
Ende, Aus!
Das ist neu in Israel; vorher noch nicht da gewesen.
Gott sagt „Nein“ und zwar zu seinem erwählten Volk.
Hinter diesem „Nein“,-nach dem angekündigten Gericht, kommt für Amos keine neue Zuwendung Gottes in Sicht. Er verkündet nur das unausweichliche eintreten des Endes.
Amos war ein ausschließlicher „Neinsager“
Auch wenn Amos ausschließlich Unheil und das kommende Gericht Gottes ankündigte, hat er immerhin eine Begründung zu geben versucht, warum es sich so und nicht anders verhalten wird.
Solch eine Begründung ist auch der heutige Predigttext:“Ich will nichts wissen von euren Festen; bleibt mir weg mit dem Geplärr deiner Lieder; ich will euch hinaus in die Verbannung führen spricht der Herr“. Allerdings ist der Text eher untypisch für Amos. Er zeigt nämlich hier die Schuldverfallenheit des Volkes anhand des Gottesdienstes auf.
Viel häufiger aber, als Kritik an den Feiertagen tauchen Themen auf wie: Bedrückung von Armen, Handelsbetrug, Ansammlung von Haus und Grundbesitz,Errichtung von Prachtbauten auf Kosten der Armen,Luxus als Zeichen von Hochmut, Rechtsbeugung und Amtsmißbrauch.
Abgekürzt würde man heute von „Sozialkritik“ sprechen.
Der Text gleicht daher einer Beschimpfung der Gottesdienstgemeinde; -einer Gemeinde deren Selbstgerechtigkeit angesichts eklatanter Ungerechtigkeit angegriffen wird.
Eine Festgemeinde, feierlich gestimmt -wahrscheinlich im Staatsheiligtum zu Bethel- erfährt also einen Einspruch: Amos ist vermutlich mitten in der Versammlung aufgestanden und hat seine Kritik dazwischen geschrien -mitten in die Liturgie hinein. Der notorische „Neinsager“ wurde zum Störfall. Sinngemäß hätte er etwa folgendes sagen können:
„Am Heiligtum seid ihr fromm und feiert, aber draußen in den Dörfern haben die Leute gar nichts zu feiern. Dort mißachtet ihr das Recht. Die Bauern und Tagelöhner ernten Wein und Oliven und die Priester und Großgrundbesitzer nehmen es ihnen weg. Sie unterdrücken nach Bedarf und beuten zu ihrem eigenen Nutzen und Vorteil aus. Wollt ihr etwa Gott mit euren Festen bestechen? Soll Gott euer Unrecht etwa auch noch segnen? Am Sabatt fromme Lieder singen, Opfer bringen und um Vergebung bitten und alltags den Menschen das Fell über die Ohren ziehen. Das kann Gott nicht riechen! Das stinkt zum Himmel.“
Amos lehnt den Gottesdienst also ab, weil Recht und Gerechtigkeit mißachtet werden. Er stellt klar: Rechtbrechen, also aktiv am Unrecht tun teilhaben und fromme Lieder singen, das paßt nicht zusammen.
III.) Nun gibt es zu der äußeren gesellschaftlichen Situation in die Amos hinein spricht offenbar Entsprechungen:
Auch wir sind Teil einer Gesellschaft, der es wirtschaftlich gut sehr geht, die ihren Reichtum erkauft mit der Not anderer. Nicht nur weltweit, auch bei uns in der Bundesrepublik klafft die Schere zwischen Arm und Wohlhabend immer weiter auseinander.
Oft scheint unsere Gesellschaft auch an ein Ende gekommen zu sein: die Gewaltbereitschaft nimmt zu, die Bereitschaft zur Gestaltung öffentlichen Lebens dagegen ab; einige sehen schon die Demokratie in Gefahr.
Kriege rücken immer näher; mit politischen Mitteln ist ihnen offenbar nur schwer oder gar nicht beizukommen. Deswegen besinnt man sich neuerdings wieder auf Bomben.
Die Verelendung ganzer Völker in der nimmt ständig zu; dadurch strömen immer mehr Flüchtlinge in den reichen Norden; Und auch ökologisch steht es nicht zum besten. Trotz allem gibt es einen entscheidenden Unterschied:
Das Ende, das Amos angekündigt hatte, traf vier Jahrzehnte später tatsächlich ein: Das Ende der staatlichen Existenz des nördlichen Teils von Israel war gekommen. Unweigerlich, so wie Amos es angesagt hatte.
Heute ist uns das Ende keineswegs angesagt.
Alle Datierungsversuche sind pure Spekulation.
Wann das Ende kommt weiß Gott allein.
Heute kann keiner mehr wie Amos auftreten und sagen.“So spricht der Herr“. Und weil das so ist können auch die kritischen Worte zum Gottesdienst nicht einfach auf unsere Feiern heute übertragen werden.
Gott hasst nicht notwendig und seit Amos nun jeden Gottesdienst. Vielmehr soll unser Gottesdienst zu einem Dienst Gottes an uns werden, der dann zu unserem Dienst an der Welt führt.
Nicht wir bringen einen Dienst für Gott, indem wir uns hier versammeln. Wir haben Gott als Gemeinde, als Kirche nicht in der Hand, verfügen nicht über ihn.
Davor warnt der Text allerdings: Gott handhabbar zu machen, über ihn bestimmen zu können.
Vielmehr dient uns Gott im Gottesdienst, indem er uns nah kommt und uns zu neuen Menschen, zu seiner Gemeinde macht. Er tut es von sich aus ohne unser aufeinander-zugehen, ja sogar über alle aufgerichteten Barrieren hinweg.
Aber hat das gerade Gesagte wirklich noch etwas mit dem Amos Wort zu tun? Wie paßt das Wort vom im Gottesdienst nahen Gott zum Wort Gottes, das unweigerlich das Ende ankündigt?
Wird hier nicht aus dem richtenden Gott zu schnell ein liebender gemacht?
In der Tat zeigt Amos einen Gott der Schluss macht, der ein Ende setzt; daran gibt es keinen Zweifel und nichts zu rütteln!
Aber Gottes Gericht und seine Liebe sind nicht zwei Begriffe, die sich gegenseitig ausschließen.
Heil, also Zusammensein mit Gott, Leben in seiner Gemeinschaft ereignet sich nach dem Zeugnis der ganzen Bibel erst nach dem Gericht; erst durch das Todesgericht hindurch, nie daran vorbei gibt es eine heilvolle Zukunft.
Ich betone noch einmal, dass das für die ganze Bibel gilt!
Es kann nicht aufgeteilt werden: der zornige, richtende Gott ins Alte, der liebende, vergebende Gott ins Neue Testament.
Der Gott des Alten ist ebenso ein liebender, wie die Gott des Neuen Testaments ein richtender ist.
Aber trotzdem hat Gott nicht zwei Gesichter. Er ist nicht mal so, mal so.
Gott hat sich eindeutig als ein liebender bestimmt, als einer, der in Gemeinschaft mit seinem Volk leben will. Weil er mit seinem Volk zusammen sein will erträgt er es nicht, dass der Gottesdienst, in dem er sich den Menschen schenken will, zu einer religiösen Selbst Versicherungsveranstaltung wird.
Darum sagt er Schluss, Ende, Aus.
Gottes Gericht ergeht gerade, weil er solch ein liebender Gott ist.
Dass Gott sich eindeutig als ein liebender bestimmt hat, erkennen Christen an Jesus Christus, in dem Gott selbst das Gericht auf sich nimmt. Der richtende Gott, der, der Schluss, Ende, Aus sagt, ist zugleich der gerichtete Gott, der das Ende erträgt.
So bestimmt Gott sein Wesen als Liebe, dass er selbst in den Tod geht, selbst Gericht erleidet, um Leben zu schenken.
Dieser Gott will uns dienen, seine Nähe schenken. Auf diesen Gott dürfen wir hoffen.