Eine alltägliche Geschichte (Predigt über die Weihnachtsgeschichte)

Alles läuft darauf zu.

Das ganze hat eine eigene Dramatik.

Es wiederholt sich.

Wir reden vom Heiligen Abend.

Wir brauchen das Sich-Wiederholende,

das hervorkramen des Weihnachtsbaumschmuckes und der festlichen Tafelsachen.

Es gibt das Gefühl der Sicherheit.

Es gibt das Gefühl von zu Hause sein und nach Hause kommen.

Heute gehen die Uhren anders, doch sie gehen wie im letzten Jahr.

Hoffentlich!

Und dazu gehört auch die Geschichte, die untrennbar zu diesem Abend gehört. Und die wir vorhin gehört haben.

Der Evangelist Lukas hat sie erzählt.

Wie oft schon haben wir diese Geschichte gehört?

Viele kennen sie auswendig oder haben sie mal auswendig gelernt.

Wir hören sie und ein innerer Film läuft vor unseren Augen ab:

Der Esel wird von Joseph geführt, die hochschwangere Maria sitzt darauf. Sie gehen durch die Straßen, finden keine Herberge werden immer wieder abgewiesen und laden schließlich in einem Stall in dem Ochs und Esel bereitstehen und der Stern von Bethlehem leuchtet darüber.

– schade nur, dass davon nichts im Text steht.

Kein Sternenfunkeln über Schneefeld, nicht mal ein leises rieseln, auch die Tiere im Stall sind keiner Erwähnung wert.

Kein holder Knabe im lockigen Haar!

Stattdessen prägt ausgesprochene Nüchternheit das Bild:

Orte werden erwähnt und Städte eine Niederkunft wird erwähnt.

Die Windeln sind so wichtig, dass sie gleich zweimal auftauchen;

Eine Krippe ist da, eine Herde Ziegen und Menschen bei der Arbeit sie zu hüten.

Man könnte auf die Idee kommen hier würde eine Alttagsgeschichte erzählt.

Weihnachten, eine alltägliche Geschichte

Ist es das warum der Heilige Abend kein Feiertag ist?

Ist es das, das diese Alltagsgeschichte besser zu einem Werktag passt?

Viel ließe sich dazu sagen, auch wie es dazu kam, dass wir Weihnachten an diesem Termin, dem 24. 12. feiern. Doch dazu ist hier jetzt und in dieser Kirche nicht der Ort.

In dieser Kirche und an diesem Ort ist heute danach zu fragen, wie der Glanz in diese Alttagsgeschichte kommt und ob wir durch diesen Glanz hindurch das Licht der Weihnacht zu sehen vermögen! Und das ist nun wahrlich nicht einfach. Es ist wahrlich nicht einfach, weil der weihnachtliche Glanz nicht von den funkelnden Sternen –auch nicht vom Stern von Bethlehem– kommt. Weil er nicht von der Mutter kommt, die das Kind herzt, es im Arm wiegt und stillt. Weil er nicht von den weihnachtlichen Accessoires der Folgezeit wie Pfefferkuchen, Tannengrün und Glühwein kommt.

Nein der Glanz kommt in die Geschichte durch das erste weihnachtliche Zeichen:

In V 12 heißt es: „Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“

Nach einer anstrengenden Entbindung die auch alles andere als glanzvoll sondern geradezu zutiefst menschlich ist, sind die Windeln das erste weihnachtliche Zeichen. Und sie sind als erste weihnachtliche Zeichen gerade in ihrer Alltäglichkeit der Grund dafür, dass so etwas wie Glanz in diese Geschichte kommen kann! Warum? So wird vielleicht der ein oder die andere unter ihnen fragen. Warum sollen gerade die Windeln des Kindes der Grund für eine glanzvolle Geschichte sein? Sind sie nicht vielmehr geradezu der Ausweis einer alltäglichen Entbindung?

Ja mehr noch, ist die Sache mit den Windeln nicht eigentlich eine Banalität;

Ja schlimmer noch:

Was erzählt uns der Pastor da am heiligen Abend für einen Unsinn:

Erst soll der Heilige Abend kein Feiertag sein und jetzt auch noch Windeln!

Vor 2 Jahren startete der Bonner Generalanzeiger eine Leserbefragung mit der Frage:

„Wonach duftet für mich Weihnachten?“

Eine Frau (übrigens mit einem Baby auf dem Arm) schrieb: „Weihnachten riecht für mich nach Windeln! Nicht nach frischen, sondern nach welchen die danach verlangen gewechselt zu werden. Jesus: ein schmatzender Säugling mit vollen Windeln: Das ist Gott mitten unter uns in anfänglicher Menschlichkeit. So kommt er zu uns. Und besonders zu denen, den an Weihnachten etwas stinkt!“

Sie bekam heftige Zuschriften, dass Sie das schöne Weihnachtsfest mit ihrer Äußerung „beschmutzt“ habe. Dabei hatte Sie zutiefst Recht: An Weihnachten feiern wir, dass Gott mitten unter uns ist! Und wir feiern, wie er unter uns ist: In seiner anfänglichen Menschlichkeit. Wir feiern die Geburt eines Menschenkindes und mit dieser Geburt feiern wir das ankommen Gottes bei uns Menschen. Weihnachten geht eben mehr als unter die Haut. An Weihnachten geht Gottes Kommen buchstäblich in die Haut!

Die Lieder Dichter formulieren

„In unser armes Fleisch und Blut verkleidet sich das ewge Gut.“ Gott wird Mensch, „dir Mensch zugute“

In ihm, dem Windelkind kommt er zu uns, kriecht uns unter die Haut.

Das war übrigens in der frühen Christenheit ein umstrittener Gedanke, denn einige fanden, dass diese Art von Gott zu reden seine Gottheit „beschmutze“ und so wurde kurzer Hand die Weihnachtserzählung des Lukas aus der Bibel herausgestrichen. Gut das sich diese Leute nicht durchgesetzt haben! Kaum auszudenken: Weihnachten ohne Weihnachtsgeschichte! Im Laufe der Geschichte machte die Christenheit dann Ernst mit der Aussage, dass ein Gott, der über uns ist, nicht sein könne. Gott ist eben kein Gott über uns, nach dem schillerschen Motto: „Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen.“

Die Weihnachtsgeschichte erzählt gerade davon, dass Gott nicht „über“, sondern dass Gott „für“ uns sein will. Und sie erzählt das in einer Radikalität, dass Gott eben nur noch „für“ uns sein will. Und zwar in der Art und Weise, dass er nur noch für uns da ist. Gott will nur noch ein Gott „für uns da“ sein.

Und er will kein Gott mehr „an und für sich“ sein!

Merken Sie den Unterschied?

Spüren Sie die Differenz zwischen beiden?

Dem Gott der „für uns da“ und dem Gott der „an und für sich“ ist? Nur einer der beiden geht dich an! Darum geht es an Weihnachten.

Ob es am heiligen Abend, ob es hier und jetzt in dieser Kirche für mich Weihnachten wird entscheidet sich an der Frage, ob ich mir das Weihnachtevangelium Gottes: Dir ist heute der Heiland geboren, ob ich mir dieses Evangelium gefallen lasse! Denn wenn ich es mir gefallen lasse, ist Gott für mich da. Heute und an diesem Abend!

Und Gott „an und für sich“, der kann einpacken, den gibt es nicht mehr! Jedenfalls nicht mehr für mich! Den kann ich zwar noch zum Gegenstand philosophischer, psychologischer und neuerdings auch neuro-physiologiger Forschung machen, aber angehen –im Sinne von mir etwas bedeuten– angehen tun diese Erkenntnisse über „Gott an und für sich“ mich nicht.

Die Ergebnisse mögen interessant, mögen wissenschaftlich fundiert und intellektuell reizvoll sein. Aber wenn es um mein Leben, wenn es um meine Liebe, wenn es meine Angst, meine Schwächen, Nachlässigkeiten, wenn es um mein Sterben geht, dann nützen mir diese Erkenntnisse gar nichts.

Dann zählt nur noch das Weihnachstevangelium indem Gott spricht: Euch ist heute der Heiland, der Retter geboren, Jesus Christus, der „für euch da“ ist. So kommt Glanz in die Weihnachstgeschichte, dass Gott mir alltäglich begegnen will, nicht als fernes Mysterium, sondern als ein menschlicher Gott.

Wenn es ein Geheimnis an Weihnachten gibt, dann das:

Gott wird Mensch, dir Mensch zugute.

Gottes Kind das verbind sich mit unserm Blute.

Wenn wir aus der Alttagsgeschichte des Lukas, in der es um Steuern, Volkszählung, Geburt und Arbeit geht etwas in unseren Alltag mitnehmen dürfen, dann ist es dies, das uns der „weihnachtliche Glanz“ zu Gottes „weihnachtlichem Licht“ in unserem Alltag werden soll. Nicht nur an diesem Abend soll uns Gott unter die Haut gehen, sondern gerade dann, wenn uns so gar nicht weihnachtlich zu Mute ist. Dann und erst recht dann ist das Weihnachts- Evangelium für uns da. Dann und erst recht dann verspricht sich uns der menschliche Gott als einer, der nicht an nur an den Festtagen präsent ist, sondern der inmitten der Widrigkeiten und Irrungen des Alttages sich uns mitteilen will.

Gebe uns Gott Augen die sehen und Ohren die hören; –und in anbetracht der Windeln als weihnachtliche Zeichen müsste ergänzt werden–: Nasen, die riechen, seine Zusage: Sich nicht „über“, sondern gerade in den Dinge des Alltags finden zu lassen. Er hat an Weihnachten –in Jesus– versprochen dafür zu sorgen. Er schenke uns im Alltag das Vermögen ihn zu entdecken: Komm, oh mein Heiland Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Auch zieht mit deiner Gnade ein, dein Freundlichkeit auch uns erschein.

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