Der Pfarrer* isst anders. Nämlich viel, weil es bei jedem Anlass etwas gibt. Mit Leib und Seele ist er außerdem bei der Sache, denn er wird dotiert und nicht nach Arbeitsleistung bezahlt. Deswegen wird auch erwartet, dass er einstecken kann. Nicht das Stück Kuchen beim Geburtstagsbesuch —obwohl auch das schon vorgekommen sein soll— sondern vor allem Kritik. Das Schicksal teilt er freilich mit Politikern*, Lehrern*, Journalisten* und allen anderen, die in irgendeiner Art und Weise „öffentlich“ ihren Beruf (ein evangelisches Wort!) ausüben. Dagegen ist rein gar nichts einzuwenden bis auf die Tatsache, dass man eigentlich über das demokratische System, Schule, irgendwas-mit-Medien und eben Kirche redet. Der Stammtisch kennt allerdings keine Systeme, sondern nur Personen, über die man sich überaus trefflich unterhalten.
Manchmal braucht eine Synode auch einen Stammtisch. Nicht erst am Abend, sondern gleich im Plenum. Das heißt dann „Impuls Referat“ und der Redner* darf kräftig vom Leder ziehen. Tut er auch meistens, wie kürzlich auf der EKD Synode.
Warum sich allerdings unter dem Titel „Herausforderungen für eine reformbereite Kirche“ banale Ratschläge wie Empfehlungen zur Minutenzahl der Gottesdienstdauer finden, bleibt ebenso rätselhaft wie die Forderung die Pfarrer* mögen doch bitte loyaler gegenüber ihrer Kirchenleitung sein. Noch rätselhafter bleibt allerdings, warum der Soziologe nur eine kirchliche Ebene im Blick hat. Auch im zweiten Impulsvortrag bleibt noch etwas von diesem Reflex übrig. Zum Glück nur am Rande, aber ohne Pfarrer*-Schelte geht es offenbar nicht: In Radioandachten sage das göttliche Bodenpersonal nach dem obligatorischen lebensweltlichen Einstieg nur noch das, was es immer schon mal sagen wolle. Und ein junger Kölner Pfarrer, der neue Gemeinde- und Gottesdienstformen erproben will, mache sich Gedanken über Milchschaum statt Kondensmilch und nähme damit dem Evangelium seinen harten Kern, ist da zu lesen. Nicht auszudenken dieser junge Mann wäre auch noch tätowiert! Schließlich ist die Kirche für alle da und nicht nur für einige wenige Hipster.
Warum ich als Radiohörer* und Zeitungsleser* selbstverständlich die Wahl zwischen verschiedenen Geschmacksrichtungen haben darf und wählen kann, im kirchlichen Kontext dagegen Einfältigkeit Einzug halten soll, bleibt offen. Vielleicht, weil „die Kirche“ für „alles“ zuständig ist? Also für das Große-Ganze, Gott, das Existenzielle, Ewigkeit, Gegenwart, Zukunft, Abgründiges, Tiefgründiges, Unverständliches?
Muss aber „die Kirche“ an solch einem Anspruch nicht scheitern? Erst recht, wenn die Zuständigkeit zwischen den einzelnen kirchlichen Ebenen hin und her gereicht wird? Verhängnisvoll, dass die Beantwortung dieser Fragen innerkirchlich höchst unterschiedlich ausfällt. In anderen Kontexten ist das unproblematischer: Die Zweitmeinung eines Arztes ist geschätzt, die Drittmeinung eines Kirchenmenschen aber eine Katastrophe. „Liefern“ soll die Kirche, vor allem Sinn und Botschaft. Tut sie das nicht oder nur unzureichend, steht Ihre Existenz in Frage. Zumindest für die Beobachter. Die Akteure dagegen versuchen mit noch mehr Aktivität den Beobachtern genügen zu wollen.
Leider lässt sich die evangelische Kirche gerne vor die Alternative stellen „Lieferheld“ oder „Lieferando“ zu spielen. Ist der Ball einmal angenommen, muss man Leuchtturmprojekte liefern, die mit der Zeit zu Schlaglichtern verkommen, die ihrerseits Schatten auf stillgelegte Kirchtürme werfen. Was also tun? Falsche Frage! Es geht noch nicht einmal um ein Lassen, obwohl selbst das schon viel wäre.
Es geht um Hoffen. Hoffen, dass die Einsicht wächst, dass es Orte der Zwecklosigkeit braucht. „Zwecklos aber nicht überflüssig“, das wäre ein überaus treffendes Motto für eine christliche Kirche aufgedruckt auf Fidget-Spinner im Jahre 501 nach der Reformation. Wem die darin versteckt Relational-Ontologische Debatte eher fremd ist, kann das Werbegeschenk so lange in Kondensmilch halten bis daraus Milchschaum geworden ist. Das sieht dann besser aus, schmeckt aber trotzdem nicht allen.
„Eher fragen und zuhören als antworten, predigen oder gar belehren. Uns hinwenden und suchen, was verloren gegangen ist.“ Für diesen Satz hat Kirsten Fehrs, Bischöfin in der Nordkirche, viel Kritik erfahren, auch von der predigenden Zunft. Ist die Einsicht verloren gegangen, dass Gnade nicht nach Nützlichkeit fragt? Auch nicht nach der Nützlichkeit von Kirche. In Zeiten in denen alles und jeder performen und an sich glauben muss, in der jeder* das tun muss, was getan werden muss, fehlt es an Orten an denen man bedingungslos da sein darf. Hinwenden, suchen und entdecken, dass Gott Freude am Finden des Verlorenen hat, ist darum schon viel. Der Groschen bleibt in der Geldbörse, das Schaf bei der Herde –einfach so. Nicht der Nutzen, sondern die Freude darüber, dass Gott sich interessiert für das, was er geschaffen hat, muss entdeckt und als Haltung erkennbar werden.
Foto: Maik Meid, Photo Credit: <a href=“https://www.flickr.com/photos/46729310@N04/34564754410/“>Maik Meid</a> Flickr via <a href=“http://compfight.com“>Compfight</a> <a href=“https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/“>cc</a>