Mit einem leichten aber nachgiebigen Schubs wird die Katze vom Schoß vertrieben. Dann wird die Frisur begutachtet und notfalls noch gerichtet. Wenn es sein muss, die Kamera in die richtige Position gebracht. Dann kann die Videokonferenz los gehen. Nur wenige scheinen zu wissen, dass man die Kamera auch vor Beginn des Meetings einstellen kann.
Ist die richtige Menu-Einstellung aber erst einmal entdeckt, wartet so manche Software mit allerlei Funktionen auf, die uns Teilnehmer*innen tatsächlich ins rechte Licht zu setzen vermag. Waren vor einem Jahr noch virtuelle Hintergründe aus diversen Urlaubsregionen beliebt, ist heute meist nur noch der Hintergrund-Weichzeichner aktiv. Immer mehr im Kommen ist die inszenierte Authentizität –wie ich gerne sage. Das ist der Fall, wenn das Regal mit ausgewählten Büchern, indirekter Beleuchtung und einem passenden Deko-Gegenstand versehen wird: Ein Buddha, das Traum-Motorrad oder auch ein frischer Blumenstrauß sorgen für aufgeräumte Hintergrundstimmung. Echte Viel-Video-Konferenzler*innen lassen inzwischen zwar auch gerne mal den Wäschekorb, oder die Legolandschaft in ihrer natürlichen Umgebung, aber das bleibt immer noch die Ausnahme.
Haut- und Lippenfilter kommen allerdings fast immer zum Einsatz und zwar so, dass sie so gut wie unsichtbar sind. Da haben Influencer*innen mit ihren bearbeiteten Fotos und Videos einen allgemeinen Standard gesetzt, hinter den kaum noch jemand zurück will.
„Sind wir eigentlich nie schön genug?“ – frage ich mich.
„Blöde Frage“, mögen Sie nun sagen; natürlich nicht.
„Es gibt immer, was zu tun“ ist das Motto enthusiastischer Baumarkt-Besucher, und erst recht der Botox-Benutzer. Und je länger wir uns selbst als Video-Kachel auf dem Computermonitor ansehen/anstarren müssen, desto mehr kommen auch wir zu der Überzeugung: „Es gibt immer was zu tun.“ : Denn Es wird zunehmend schwieriger, einem vergleichenden Betrachten aus dem Weg zu gehen.
In der Bibel heißt es einmal: „Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit. Und auch die Ewigkeit hat er in unser Herz gelegt.“ (Koh. 3,11)
„Schönheit“ und „Ewigkeit“, das scheint doch eher ein Gegensatzpaar zu sein; schließlich ist Schönheit gerade vergänglich und alles andere als ewig! Aber wenn Gott alles schön gemacht hat, alles zu seiner Zeit und auch die Ewigkeit hat er in unser Herz gelegt“, ist dann nicht in allem, was uns begegnet und erscheint auch „Ewigkeit“?
Mir würde das beim Blick in den Spiegel und auf die Kachel jedenfalls helfen:
Alles ist von Gott schön gemacht und sogar Ewigkeit hat er in mein Herz gelegt.
Vor ihm bin und bleibe ich. Er wird mich nicht von seinem Schoß schubsen.
Dieser Beitrag wird am 8.4.2022 bei Kirche im WDR2 gesendet.
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