S-Pedelec 45km/7

Langzeit-Test Raleigh Stoker S11

Wenn von Langzeittest die Rede ist, kann man so manchen Test lesen, bei dem ein neues Rad über 1000km getestet wurde. Dabei ist das Rad meist kein Jahr alt. Was daran „Langzeit“ sein soll, erschließt sich mir nicht so richtig. Ich überschreibe den Artikel hier mit Langzeittest, immerhin hat mein S-Pedelec jetzt über 6000km hinter sich; innerhalb von 14 Monaten.

Für diejenigen, die überlegen sich ein (gebrauchtes) S-Pedelec zu kaufen einige Grundinfos zum Rad: Die Tretunterstützung geht bis 45 km/h, man muss also ein (Moped-) Kennzeichen kaufen. Kostet nicht die Welt, sieht aber auch nicht schick aus. Trotzdem sollte man es am Rad montiert lassen. Viele S-Pedelec Fahrer montieren es ab. Das hat meist aber keine optischen Gründe, sondern praktische: Radwege sind für Kfz gesperrt und ein S-Pedelec ist ein Kfz. Man bekommt auch einen grünen Zulassungsschein, muss mit Helm fahren. Neuerdings müssen S-Pedelecs sogar eine Hupe statt einer Fahrradklingel haben und der Fahrradständer muss auch besonders beschaffen sein. Ein Rückspiegel ist ebenfalls Pflicht.

Mein S11 hat -im Gegensatz zu dem Nachfolgemodell das nur noch unter dem Namen „Ashford S11“ angeboten wird- noch keine Hupe und auch der Fahrradständer ist ein ganz normaler. Auf dem Bild sind gegenüber dem ursprünglichen Originalzustand der Flaschenhalter und der Sattel verändert. Ein „Brötchenschloß“ und der unverzichtbare Spritzschutz am vorderen Schutzblech sind ebenfalls nachgerüstet. Außerdem wurde der weit ausladende Spiegel durch einen Minispiegel ersetzt. Ich finde man sieht genug; ist aber verboten. Ebenfalls verboten ist die Benutzung von Wirtschaftswegen. Trotzdem habe ich mich für das S11 entschieden. Mein täglicher Arbeitsweg beträgt 46km die ich in den letzten vier Jahren auch gut mit dem normalen Fahrrad bewältigt habe. Im Sommer waren 50-55 Minuten Fahrzeit pro Strecke vollkommen in Ordnung. Im Herbst und Winter konnten es durch Matsch, Wind und Schnee aber auch mal 75 Minuten werden. Selbst wenn man das Radfahren liebt (das tue ich: Ich besitze Rennrad, MTB und Reiserad und fahre seit 30 Jahren aktiv Rad) muss man das nicht täglich haben. Folglich ließ besonders im Januar und Februar die Kilometerleistung pro Woche merklich nach. Hier kam das Raleigh dann ins Spiel mit dem Ziel die wöchentlichen Sommerkilometer auch im Winter zu erreichen. Nach dem ersten Winter kann ich sagen: Es hat funktioniert. Auch dank des milden Winters. Ob im kommenden Winter die Spike-Reifen zum Einsatz kommen, muss man abwarten. Legal ist die Benutzung nicht, denn es handelt sich ja um ein KFZ!

Ich habe das Rad mit einer Kilometerleistung von 1800km gekauft. Allerdings gab es vom Vorbesitzer noch eine zweijährige Garantie dazu, die noch wichtig werden sollte. Bereifung, Bremsbeläge und der Gates Carbon Drive waren augenscheinlich ersetzt worden. Es gibt das S11 statt mit Shimano Alfine Elf-Gang Nabenschaltung auch mit gewöhnlichem Kettenantrieb, aber auf eine tägliche Kettenpflege im Winter wollte ich gerne verzichten. Da der ursprüngliche VK von etwas über 4000,- € „nur“ noch 1800,-€ betragen sollte, braucht es nun Stellplatz für vier Räder 🙂

Das S11 wird als „grundsolides Pendler-Rad“ beworben, was es eigentlich auch ist: Keine Monsterreifen wie sonst in der Klasse üblich, aber das ist natürlich Geschmacksache. Meinetwegen könnte auch die Federgabel wegfallen und die nachgebende Sattelstütze ebenso. Wenn der Arbeitsweg unter 20km ist und zu großen Teilen sogar noch durch die Stadt führt, braucht man kein schnelles E-Bike. Außerdem beschleunigt das S11 nicht spritzig genug. Der Impulse Motor reißt mit seinen 350 Watt keine Bäume aus. Vielleicht liegt das auch am Riemenantrieb, dazu müsste man aber das Modell mit Kette zum Vergleich haben. Ich fahre fast immer auf der geringsten Unterstützungsstufe. Das reicht aber schon für einen Schnitt von 32 km/h. Ist dann aber schon mit Anstrengung verbunden. Es gibt noch 2 weitere Unterstützungsstufen („Sport“ und „Power“) eigentlich noch eine dritte „Power,Sport“, wobei zwischen den beiden letzten Stufen kein Unterschied zu merken ist. Bei starkem Wind fahre ich manchmal auf Stufe zwei, wenn ich es besonders eilig habe.

Auf den ersten 2000 km (also bis Gesamtkilometer 4000) waren nur die Bremsbeläge zu ersetzen. Nässe und matschiger Feldweg ist halt Schmirgelpapier, aber dass Problem kennt jeder MTB Fahrer. Die hintere Bremse der Magura Vierkolben Ausführung habe ich inzwischen mit dem blauen 9.C Comfort Belag ausgestattet. Nicht ganz so wirkungsvoll (reicht aber immer noch zum Blockieren!) dafür leiser und länger haltbar. Ob der inzwischen eine Zulassung für S-Pedelecs hat, weiß ich nicht. Der Carbon Antriebsriemen ist zwar pflege-, aber nicht wartungsfrei. Ich spanne alle 500 km leicht nach, nicht wie angegeben alle 1000 km.

So in etwas hatte ich mir das Fahren auch vorgestellt: Draufsetzen, laden, fertig! Lief eine ganze Weile so. Im Winter habe ich auf der Arbeit sicherheitshalber nachgeladen, denn nach gut 50 km ist der 17Ah meistens leer. Ich bin zwar auch schon 70km und 700hm mit einer Akku-Ladung gefahren, allerdings nur im Eco-Modus und bergab bzw. bei Rückenwind in der Ebene ohne Unterstützung. 

Die Shimano Nabenschaltung ist auch nicht ganz wartungsfrei: Alle 5000 km ist ein Ölwechsel fällig. Ungefähr bei dieser Kilometerleistung begannen die ersten Probleme: Zunächst war das LCD Display nur nach heftigen Regenfahrten beschlagen, später viel es ganz aus und musste ersetzt werden (Garantie). Dann kam es vermehrt zu Speichenbrüchen. Dabei musste ich feststellen, dass tatsächlich nur eine 32 Loch Alfine Nabe verbaut wurde. Das kann man bei einem kleinen Rahmen machen, allerdings ist die XL Version des Raleigh Stoker schon für Leute gedacht, die auch deutlich über zwei Meter sein können. Da kommen schnell 90kg zusammen, wohlgemerkt für den Fahrer. Rechnet man das Rad mit seinen gut 25kg dazu, plus vielleicht noch 5kg Gepäck, ist deutlich, dass das Systemgewicht einer 32 Loch Felge bei weitem überboten wird. Hier liegt ein echter Konfigurationsfehler des Herstellers (Derby Cycle) vor. Nachdem es immer wieder zu Speichenbrüchen kam, habe ich das Hinterrad gegen die 36 Loch Nabe/Felge getauscht (keine Garantieleistung).

Bei einem Kilometerstand von 6000km konnte ich dann ausprobieren, wie das Rad sich auf meinem Arbeitsweg schlägt, wenn ganz auf Motorunterstützung verzichtet wird. Das tat ich allerdings nicht freiwillig, sondern notgedrungen, denn der Motor verweigerte hartnäckig seinen Dienst. Es war kein Software Problem und kein Kabelbruch, sondern ein Motorschaden. Überraschend, aber nicht unerwartet, denn in Foren kann man von derartigen Ausfällen immer wieder lesen. Allerdings schreiben ja auch meistens nur die Leute in Foren, die Probleme mit ihrem Rad haben. Der Motor wurde ersetzt (auf Garantie) und auch eine neue Software aufgespielt. Jetzt wird die Unterstützung tatsächlich erst bei 45 km/h eingestellt. Vorher ruckelte es ab 43km/h merklich im Antrieb. 

Dass ein „solides Pendler-Rad“ nach 6000km schon den zweiten Motor hat, spricht nach meinem Verständnis nicht für Solidität. Vermutlich beschränken sich die üblichen Langstreckentests deswegen auf 1000km.

Seit 2019 werden keine neuen Impulse Motoren mehr hergestellt. Allerdings sind immerhin mehr als 500.000 Stück gebaut worden. Eine Ersatzteilbeschaffung soll noch einige gesichert sein. Ich jedenfalls hoffe noch auf einen dritten Motor innerhalb der Garantie. Wenn es mit den durchschnittlichen Kilometerleistung so weiter gehen sollte, hoffe ich auf die Kulanz des Herstellers. Der Carbon Drive Belt verrichtet übrigens immer noch seinen Dienst. Der Akku macht keine Probleme, zeigt aber im voll geladenen Zustand eine Reichweite zwischen 60 und 64 Kilometern an. Vor einem Jahr waren es ziemlich konstant 71km. Das kann aber auch am Motor/Software-Wechsel liegen. Nach dem Display Tausch -bei dem alle Daten resetet werden- wurde übrigens eine Reichweite von 114km vorausgesagt. Das ist definitiv ein Phantasiewert.

Ich werde weiter berichten! 

Update bei 13.000km: Wegen einer Erkrankung hatte ich 6 Monate Radfahrverbot. Das war schon sehr hart. Die Erkrankung allerdings auch. Immerhin konnte ich die Zeit nutzen um einige Reparaturarbeiten vorzunehmen:

-Beide Bremsscheiben waren unterhalb der Verschleißgrenze, also ersetzen. Hätte ich richtig nachgeschaut, wäre mir aufgefallen, dass vorne 180mm verbaut ist und hinten 160mm. Hätte ich vorher schon mal demontiert, hätte ich auch festgestellt, dass die hintere Bremsscheibe nur so aussieht als ob sie Shimano-Centerlock wäre. Tatsächlich bestellt ihr besser direkt zwei 6-Loch Scheiben in den genannten Größen. Die hintere 6-Loch Scheibe wird per nur per Centerlock Schlüssel festgezogen. Ich habe ein paar hochwertigere Scheiben bestellt. Ob die Bremsleistung dadurch besser geworden ist, kann ich gar nicht sagen. Der Druckpunkt ist auf jedenfall besser spürbar. Aber das liegt bestimmt daran, dass die Maguras gleichzeitig entlüftet wurden.

-Die Akkukapazität reichte schließlich nur noch für eine Fahrstrecke (also ca. 25km). Da kein neuer Akku lieferbar war musste ich also täglich zwischenladen. Durch das tägliche Entnehmen des Akkus wurde die Motorabdeckung so beansprucht, dass sie gebrochen ist. Das Ersatzteil gab es am günstigsten im Hollandbikeshop. Die schwarze Abdeckung ist ohnehin nur schwer zu bekommen. Meistes gibt es nur die silberne zu kaufen. Zuerst hatte ich überlegt die defekten Akkuzellen austauschen zu lassen. Einige Anbieter machen das. Allerdings ist das fast so teuer wie Neuware. Und der das Case auch nicht mehr so frisch war, habe ich doch einen neuen bestellt. Nun komme ich hoffentlich auch im Winter auf 50km Reichweite.

-Das vordere Schutzblech wird durch einen genieteten Halter an der Gabel befestigt. Das ist ärgerlich, wenn die Nieten ausgeschlagen sind und das Blech durch den Fahrtwind ständig hin und her wackelt. Warum das nicht wie beim hinteren Schutzblech durch zwei kleine Schrauben befestigt wird, ist ein Rätsel. Eigentlich wollte ich ein neues kaufen, das deutlich weiter nach unten gezogen ist, so dass der (unschöne) Spritzschutz vielleicht entfallen kann. Aus Nachhaltigkeitsgründen hab ich dann doch einfach neu vernietet. Löst es sich in absehbarer Zeit noch mal, werde ich aber beide Bleche ersetzten. Denn durch etwas breitere Modelle, lassen sich bestimmt auch breitere Reifen als 42/44mm montieren.

-Motor läuft übrigens noch 🙂 Und auch der Riemen ist noch drauf, zeigt aber schon erhebliche Abnutzung und sollte nach Herstellerangaben ersetzt werden. Ich fahr noch etwas bis die ersten Zacken rausbrechen. Ein neuer (131 Zähne) liegt aber schon bereit.

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