Synodenbericht zur Gefängnisseelsorge

Seit einer viertel Stunde steht er in der prallen Sonne. Es ist über dreißig Grad an diesem Tag im August. An seinem karierten Hemd ist ein Schildchen angesteckt.: „Besucher“ ist darauf zu lesen. Für Walter* ist es ein besonderer Tag. Er will noch einmal an den Ort seiner Jugend. Walter ist inzwischen 86 Jahre alt geworden. Baseball Kappe auf dem Kopf, Bermuda und Sandalen. So steht er aufgestützt auf zwei Walking Stöcken auf dem Eingangsgelände der JVA.
Er wolle sich das Gelände noch einmal ansehen, ob das möglich wäre, hatte er an der Pforte gefragt. Durch ein Missverständnis hatte man ihm Einlass gewährt. Für einen ehemaligen Beamten hatte man ihn gehalten und bei mir angefragt, ob ich mit ihm einen Rundgang über das Gelände machen könne.
Ich strecke Walter zur Begrüßung die Hand entgegen und greife in einen Fahrradhandschuh. Wir gehen los. Er kennt die Wege besser als ich, der erst seit einem knappen Jahr in der Anstalt als Gefängnispfarrer arbeitet. Von 1945-1952 sei er hier gewesen erzählt er, während wir uns mit kleinen Schritten fortbewegen. Sein Aufenthalt jedoch war nicht freiwillig. Wegen Diebstahl war er als 15jähriger verurteilt worden. Bis zu seiner Volljährigkeit, mit damals 21 Jahren, sollte der Erlenhof (damals noch „Jugendbesserungsanstalt“) sein Elternhaus ersetzen.
Vor dem ehemaligen Speiseraum bleiben wir stehen. Inzwischen sind dort Hafträume errichtet worden. Der „Hermann“ hätte damals ,an einem Freitag, seinen Fisch gegen die Wand geworfen und dieser sei dann ganz langsam bis zur Fußleiste herunter gerutscht, erzählt er lachend. Wir schlendern weiter an den Arbeitsräumen der Schreinerei vorbei. Hier habe er seine Ausbildung zum Korbflechter absolviert, fährt er fort. Sein Ausbilder sei ein toller Mann gewesen, streng aber gerecht und vor allem jedem der Bewohner zugewandt. 800 Jungs seien sie damals hier auf dem Gelände gewesen, zu 50 in einem Schlafsaal mit Doppelstockbetten.
Am Grillplatz angekommen berichtet Walter von einem Schwimmbad, das sich früher an dieser Stelle befand. Es ist der einzige Unterschied, den er zu damals ausmachen kann. Er zeigt seine vernarbten Arme und Beine. Die habe er sich zugezogen, als er dann doch mal über den Zaun, hinter dem Schwimmbad, das Weite gesucht hat: „Es war eine tolle Zeit! Ich bin dankbar, dass mir der Erlenhof den Weg ins Leben gewiesen hat“, sagt er, während wir unseren Rundgang in der Kirche beenden. Bis in die letzten Reihen seien die Bänke sonntags immer gefüllt gewesen, erinnert er sich und erzählt von seiner Mutter, seinem Vater, den Stationen seines Berufslebens, wie er seine Frau kennen gelernt hat und von den Kindern zu denen er jetzt weiter fahre.
Er reicht mir seine Rechte mit dem Fahrradhandschuh. Als ich sie ergreife, drückt er mit der Linken von oben fest darauf. Die beiden Stöcke schwingen frei an ihren Schlaufen links und rechts des schmächtigen Körpers.

*Name geändert

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