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Stefan hat ´ne Neue

Stefan hat ne Neue! Einige hat das nicht überrascht. Er war schon länger nicht mehr mit ihr gesehen worden. Schließlich stand sie nur noch in der Garage, seine alte Vespa Baujahr 1988, 125 ccm Hubraum. Sie musste einem richtigen Mottorad weichen, das jetzt so viel PS hat wie der alte Motorroller Hubraum hatte. Es wurde Zeit, meinte Stefan, noch einmal richtig durchzustarten. 54 Jahre ist er jetzt, die Tochter geht weitgehend ihre eigenen Wege, das Haus ist abbezahlt, der Job sicher, die Karriereleiter ist erklommen. Andrea dachte, sie hätten jetzt etwas mehr Zeit zusammen, zu Reisen, zu Essen, zu Lieben, alles das zu machen, was sie am Anfang ihrer Ehe für später aufgeschoben hatten. Andrea ist nicht glücklich über Stefans Freiheitsdrang. Sie lässt ihn aber machen. Irgendwie war er schon immer wie ein großes Kind.Vor drei Wochen hat Stefan entschieden auszuziehen. Er brauche Abstand, müsse sich über einiges klar werden. Es wäre für alle besser, meint er.

Zu Jesus kam einmal ein Mann, der war in einer ähnlichen Situation wie Stefan. Er fragte Jesus: „Was muss ich eigentlich für ein erfülltes Leben tun?“ „Das weißt du doch selbst!“ antwortet ihm Jesus: „Halte dich an deine Versprechen, die du anderen und dir selbst gegeben hast. Sei liebevoll, großzügig, barmherzig.“ „War ich immer!“ „Dann mach folgendes“- sagt Jesus- „Geh los, und verkaufe alles was du hast und gebe das Geld denen, die nichts haben.“ Die Begegnung endet mit dem Satz: Traurig ging der Mann davon, denn er war sehr reich.

Was sich auf den ersten Blick wie eine antike Form der Kapitalismuskritik liest, kann allerdings auch anders gelesen werden: Nämlich als eine Frage, welche Rolle Freiheit und Stabilität in unserem Leben spielen. Und die Antwort Jesu erscheint plötzlich sehr modern: Unser Leben ist bis in den Alltag hinein von Aushandlungsprozessen bestimmt, die sich unter ständig verändernden Bedingungen vollziehen. Wer eine Entscheidung trifft, trifft sie zwar allein, aber sie wird immer Auswirkung auf diejenigen haben mit denen wir zusammenleben. Erfülltes Leben, Freiheit und Stabilität kann man sich nicht selber schaffen.

Stefan ist übrigens wieder zu Andrea ins Haus gezogen. Seine kleine Wohnung will er noch behalten. Seine Tochter hat gerade ihren Motorrad Führerschein gemacht. Manchmal sieht man sie zu dritt in die Eifel durchstarten.

Foto: https://unsplash.com/photos/39oteea6D40

Der Beitrag wurde am 20.5.2019 bei Kirche in WDR2 gesendet und kann auch hier nachgehört werden:

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