Wochen(w)ende?

Heute verhandelte das Bundesverfassungsgericht über eine Klage in Bezug auf die Ladenöffnungszeiten in Berlin. Die dortige evangelische und katholische Kirche haben gegen die bestehenden Öffnungszeiten geklagt (Bischof Huber war auch anwesend). Dort bringt eine rot-rote Koalition zustande, was sich in NRW eine schwarz-gelbe Koalition wünscht: Ausdehnung der Öffnungszeiten gerade an Sonn- und Feiertagen.

Die NRW-FDP-(Partei der Besserverdienenden fordert gar), Bäckereien und Blumengeschäften auch am ersten Weihnachtstag, am Oster- und Pfingstsonntag den Verkauf zu erlauben. „An diesen Familientagen sollen Millionen Bürger nicht auf frische Brötchen und Blumen verzichten müssen”, sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke der WAZ.

Die Gewerkschaften haben sich übrigens der Klage der Kirchen angeschlossen. Die Verkäuferin backt am offenbar „Familientag“ lieber selber Brötchen auf, als dem „Apotheker“ welche ein. Wie das Urteil aussieht werden wir in einigen Wochen sehen. Fest steht allerdings, dass nicht nur Apotheker am Sonntag frische Brötchen haben will. Fragt man den so oft gescholtenen „mündigen Bürger“ würde er wohl meistens frische Brötchen dem sonntäglichen Kirchgang vorziehen. Insofern wird sich langfristig auch die FDP freuen können.

Allerdings ist der Ausgang des Urteils sehr interessant, denn sehen die obersten Richter die bestehenden Öffnungszeiten als in Einklang mit der Verfassung, können wir wohl sehr bald an allen Tagen alles kaufen!

Besonders interessant kann die Frage dann für die Kirchen werden, wenn sie darauf zu reagieren haben, dass der Sonntag für die meisten Menschen nicht mehr der Mittelpunkt des Wochendes ist, wie der Theologieprofessor Guido Fuchs erforscht hat. Seiner Meinung nach müssen die Kirchen dem geänderten freizeitverhalten Rechnung tragen, indem sie zum Beispiel die Uhrzeiten für den Beginn der Gottesdienste ändern. Verweigerten sie sich der neuen Zeiteinteilung, werde ein Gottesdienstbesuch demnächst als kulturelle Verhaltensanomalie wahrgenommen. (Guido Fuchs: Wochenende und Gottesdienst.  Zwischen kirchlicher Tradition und heutigem Zeiterleben. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg ISBN 978-3-7917-2149-1)

Noch kann vielleicht der einer Verhaltensanomalie bezichtigt werden, der am Sonntag einkaufen gehen will. Wahrscheinlich wird es in Zukunft allerdings immer weniger Anomalien geben, weil die einen mit Baseballkappe und frischem Brötchen in der Kirche sitzen und die anderen mit Baseballkappe und frischem Brötchen in der Shopping-Meile -fast wie heute schon…

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